Künftig werden im Zeiss-Großplanetarium die Sterne zum Greifen klar und nach dem aktuellsten Wissenstand funkeln: Das Gebäude an der Prenzlauer Allee wird umfassend saniert. Das technisch
modernste Wissenschaftstheater Europas soll es nach etwa einjähriger Bauzeit werden. Ein Abschied ins digitale Universum.
So also sieht der Merkur aus. Alles grau. Ein paar Furchen, sonst ebene Flächen, kein Grün, kein Blau. Eine fremde Einöde. „400 Grad Tagestemperatur, minus 200 Grad in der Nacht. Keine Chance auf
Leben, nicht mal eine Atmosphäre.“ Tim Florian Horn steht in seinem Büro im ersten Stock, vor sich das Universum auf seinem Computer-Bildschirm, neben sich die Aussicht auf den Himmel über der
Prenzlauer Allee. Er fährt mit seiner Maus über den Merkur, dreht ihn, zoomt noch näher ran. „Jetzt stellen Sie sich dieses Bild in der Weite der Kuppel vor. Da sind Sie mittendrin.“
Die modernste Medientechnik und eine entsprechende Software werden es künftig ermöglichen, unter der Kuppel des Zeiss-Großplanetariums zu sitzen und zugleich mittendrin zu sein in der
Unendlichkeit. Von Planet zu Planet zu reisen, in Schwarze Löcher, den Kometen hinterher. Das Haus an der Prenzlauer Allee, eines von zwei Planetarien in Berlin, erhält eine Rundum-Erneuerung.
Neben der Technik und dem riesigen Projektor werden auch die Kuppel, die Bestuhlung im großem Saal und im Kino und der Eingangsbereich saniert, samt all der Arbeiten, die für Brandschutz und
Sicherheit notwendig sind.
„Auch für das Cafe suchen wir einen Part-ner, der es mit neuem Konzept betreibt“, sagt Horn im Gespräch mit den „Prenzlberger Ansichten“. Horn, Multi-Media-Spezialist und Astronom, leitet das
Planetarium seit Sommer vergangenen Jahres. Er tut das mit großem Respekt vor der Geschichte und dem Bestand des Hauses und mit dem Blick auf neue technische Möglichkeiten und astronomische
Erkenntnisse. Das Haus durch die Sanierung in sein digitales Zeitalter zu führen, dafür kam er aus San Francisco nach Berlin. Dort war er Producer digitaler Universen am Planetarium, zuvor
hatte er das neue digitale Planetarium in Kiel mitgestaltet.
12,8 Millionen Euro lässt sich das Land Berlin den etwa einjährigen Umbau seines Planetariums in Prenzlauer Berg kosten. Dann, so Florian Horn, wird es das „technisch modernste Wissenschaftsthe-
ater Europas“, ein „Haus der Wissenschaft“.
Für wen und wie? Im Flur in der ersten Etage hängen all die Fragen und Antworten, die Horn gemeinsam mit seinen acht Mitarbeitern sammelte. Ergebnisse des Brainstormings: Wer ist das Publikum?
Kinder und Jugendliche, Schulklassen aus dem näheren und weiteren Umfeld, Touristen aus aller Welt, die erwachsenen Nachbarn von der Prenzlauer Allee... Was wollen wir ihnen anbieten?
Interaktives, Live-Shows, Wissenschaft und Kultur.
Wenn Tim Horn das künftige Programm skizziert, jongliert er mit all den Möglichkeiten, die ein Wissenschaftstheater bietet, um „für Wissenschaft zu begeistern“. Gerade die Astronomie sei ein
wunderbarer Ausgangspunkt, Menschen auch für andere Wissenschaften zu faszinieren, für Mathematik, Geographie, Chemie. Woraus Sterne bestehen und wie sich diese einzelnen Elemente ins chemische
Periodensystem einordnen; wie Phänomene wie Lichtgeschwindigkeit physikalisch zu erfassen sind – den Schlüssel dazu können 3-D-Erlebnisse im 360-Grad-Rund des Kuppelsaals liefern. Auch die
Photosynthese beispielsweise ließe sich hier erleben – per Mausklick wird das Innere eines kleinen Blattes in die Weite der 23 Meter breiten Kuppel projiziert. Live moderiert werden die einzelnen
Programme sein, interaktiv und ständig aktualisiert: „Wenn morgens ein neuer Jupitermond entdeckt wird, will ich den nachmittags im Programm zeigen“. Genauso gut könnten auch Schulen während des
Unterrichts oder ihrer Projektwochen die Kuppel oder das Kino nutzen: Sich ihre Referate und die Bilder und Filme dazu selbst projizieren – vom USB-Stick auf die Leinwände.
Es ist knapp 27 Jahre her, da wurde das Planetarium am Rande des Thälmann-Parks gebaut, als Vorzeige-Haus, als modernes Sternentheater mit der riesigen Kuppel als Symbol und Wahrzeichen. Die
Kinder, die damals ins Planetarium gingen, sind längst erwachsen, waren vielleicht mit den eigenen Kindern bereits wieder hier. „Üblicherweise geht man im Leben dreimal ins Planetarium: Als Kind
mit der Schulklasse, als Eltern mit den eigenen Kindern und als Großeltern mit den Enkeln.“ Dass sich das ändert, dass Kinder und Erwachsene, und auch die Touristen wieder kommen, dafür soll es
im neuen Planetarium auch weiterhin Kulturprogramme und Ausstellungen geben. Ein Samstagabend beispielsweise könnte dann so aussehen: „Erst ein Live-Konzert, dann eine Pink-Floyd-Show.“ Auch
Multi-Media-Künstler könnten sich in der Kuppel ausprobieren, erforschen, was künstlerisch in diesem 360 Grad-Universum möglich ist.
So viele Ideen, so viele neue Möglichkeiten. Die Neugier auf die Wieder-Eröffnung im nächsten Frühjahr wächst angesichts des digitalen Kosmos, den der Planetariumsleiter skizzert. Das erste neue
Programm trägt den Titel „Sterne über Berlin“ und hat Berlins astronomische und wissenschaftliche Historie zum Thema. „Einstein arbeitete hier, in Berlin ist der Neptun entdeckt worden“.
Quartal für Quartal soll jeweils ein neues Programm folgen.
Doch bevor es so weit ist, bevor die Bauleute ins stillgelegte Weltall unter der Kuppel an der Prenzlauer Allee einziehen, präsentiert das Planetarium noch einmal sich und seine Geschichte: Am
letzten März-Wochenende lockt eine Show mit dem Best-Off der vergangenen Jahre in die Prenzlauer Allee. Geleitet wird das letzte Programm in der Kuppel von dem Mitarbeiter, der schon vor 26
Jahren durch erste Programm des damals modernsten Zeiss-Planetariums an der Prenzlauer Allee führte. Last but not least.
Katharina Fial (März 2014)
Das Planetarium im Internet: www.sdtb.de/
Zeiss-Grossplanetarium