DISKRIMINIERUNG

Route des Widerstands

Welche Auswüchse hat Diskriminierung, wie zieht sie sich durch die Zeiten? Ein Team vom  Stadtteilzentrum Teutoburger Platz macht dies anhand des Widerstands, seiner Geschichte und Gegenwart in Prenzlauer Berg erlebbar. Mit Spaziergängen und einem Stadtplan. 

Das Bewusstsein für heutige Diskriminierung und strukturelle Gewalt schärfen. Im Bezirk Pankow, der sich zu Weltoffenheit und Vielfarbigkeit bekennt – und in dem es dennoch diskriminierende, rassistische Angriffe und Übergriffe, Formen von Ausgrenzung gibt. Das Team um Denise Evers vom Stadtteilzentrum Teutoburger Platz nahm die jüngsten Antirassistischen Aktionswochen zum Anlass, mit einem Spaziergang an Orte der Ausgrenzung und des Widerstands in Prenzlauer Berg zu führen. 

MITSTREITER*INNEN GESUCHT

Der Spaziergang führt an acht Stationen und durch zwei Jahrhunderte. Die Markierungspunkte: Die Novemberrevolution 1918/19, die zur Gründung der Weimarer Republik führte. Die Zeit der Nazi-Herrschaft und des jüdischen und kommunistischen Widerstands. Das 21. Jahrhundert - die jüngste Geschichte und Gegenwart mit rassistischen, rechten Übergriffen. Ein Spaziergang vom Teutoburger Platz bis zum Mauerpark; zu Stationen, an denen durch Tafeln oder Stolpersteine Geschichte sichtbar wird. Ebenso auch an Orte, die nicht mehr vorhanden sind. Dieser Spaziergang offenbart auch, wie sich längst vergangen geglaubter Rassismus und heutige Diskriminierung überlagern, vermischen. Anhand von Schmierereien an Gedenktafeln beispielsweise.

Mit rund 30 Teilnehmenden fand der Spaziergang großen Anklang. Für das Team um Denise Evers Anlass genug, dieses Format auszubauen. Möglicherweise auch, indem einzelne Themen vertieft werden. Etwa jüdischen Widerstand auf einer Route gebündelt; auf homophobe Übergriffe aufmerksam gemacht wird. Gern sollen auch ZeitzeugInnen und Betroffene zu Wort kommen. Für diese Vorhaben sucht Denise Evers KooperationspartnerInnen und MitstreiterInnen. Eine jüdische Dame etwa hat sich bereits für solch eine Kiez-Führung bereit erklärt. Bald soll auch ein Audio-Guide entstehen, der auf individuellen Spaziergängen begleitet.

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Am Wasserturm, dem heutigen Wahrzeichen von Prenzlauer Berg, war einst ein Folterzentrum der SA.

STARTPUNKT JÜDISCHES KINDERHEIM

Bereits jetzt sind die acht Stationen des Spaziergangs auf einem Stadtplan auf der Homepage des Zentrums verzeichnet. Das ist die Route in aller Kürze:

Startpunkt ist das Stadtteilzentrum in der Fehrbelliner Straße, das einstige jüdische Kinderheim. Eine Oase und ein Schutzraum für die Kinder, auch während der Nazi-Herrschaft. 1942 wurde es zwangsgeschlossen, die Kinder und Mitarbeitenden deportiert. Ein Stolperstein erinnert an Ida Judith Bamberger, die Leiterin des Kinderheims. 

In die Zeit der Novemberrevolution 1918/1919 und des Umsturzes zur Weimarer Republik führt der zweite Ort, die heutige Brachfläche an der Prenzlauer Allee/Ecke Saarbrücker Straße. Im Gartenlokal der Bötzow-Brauerei tagte im Januar 1919 der Revolutionsausschuss. Karl Liebknecht von der neugegründeten KPD war dabei. Hier tobten auch die Kämpfe des Spartakus-Aufstandes.

Weiter geht es zu einem Ort des kommunistischen Widerstandes gegen das Nazi-Regime. Im heutigen Gewerbehof Prenzlauer Allee 36 war der geheime Treffpunkt des 1932/33 gegründeten „Roten Stoßtrupps“, der eine der ersten illegalen Druckschriften herausgab. Die WiderständlerInnen vermittelten Verfolgten auch Verstecke oder Ausweispapiere.

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In der Schönhauser Allee lebte Heinz Galinski, der Arbeitslager und KZ überlebte und erster Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland war. Fotos (2): Thea Menzel

FOLTERZENTRUM AM WASSERTURM

Am Wasserturm, dem heutigen Wahrzeichen des Prenzlauer Bergs, verweist der Spaziergang auf die Opfer des Nazi-Regimes. Das inzwischen abgerissene Maschinenhaus nutzte die SA seit 1933 als Folterzentrum. 

In der Kollwitzstraße 48 erinnert ein Stolperstein an Fancia Grün (1904 bis 1945), die als Sekretärin in der Meldestelle der Jüdischen Gemeinde Berlin arbeitete. Sie musste Deportationslisten schreiben, gab diese weiter an ein Widerstandsnetzwerk. So konnten Menschen vor dem Konzentrationslager gewarnt werden.

Am sechsten Ort des Spaziergang, auf dem Gelände des heutigen Abenteuerspielplatzes Kolle 37, war die Bezirkszentrale der Sozialistischen Arbeiterpartei. 1933 wurde sie von den Nazis zerschlagen, Mitglieder gefoltert und inhaftiert.

Im Haus an der Schönhauser Allee 31 erinnert eine Gedenktafel an Heinz Galinski, den ersten Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. Von hier aus wurde er 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert; später nach Bergen-Belsen verschleppt. Galinski war auch der erste und langjährige Nachkriegsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin (1949 bis 1992). 

Der Spaziergang endet am Mauerpark, in der unmittelbaren Gegenwart. Am Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark griffen im September 2016 mehr als 200 rechte Fußballfans des BFC Dynamo 40 KamerunerInnen an, die hier grillten. Der Übergriff fand trotz Polizei-Eskorte statt. Die Polizei ermittelte erst nach Demonstrationen und Protesten. 

Die Route auf: stz-prenzlauerberg.de. MitstreiterInnen für weitere Spaziergänge sucht Denise Evers unter: evers@pfefferwerk.de

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