Einen inklusiven Kiez-Atlas erstellen behinderte und nicht-behinderte Bewohner für Prenzlauer Berg. Der Stadtteilführer vereint bekannte und weniger bekannte Orte aus Politik, Kultur,
Freizeit und Bildung. Ein Plädoyer für Barrierefreiheit, die letztlich allen zugute kommt.
Im Zentrum des neuen Büchleins steht die Frage, wie zugänglich die Nachbarschaft ist. Können sich sehbehinderte Menschen gut durch das Bezirksamt in der Fröbelstraße navigieren? Sind Ausstellungstafeln in Museen und Galerien in einer Sprache, die leicht verständlich ist? Welche Cafes haben rollstuhlgerechte Zugänge und Toiletten? Orte, die in Prenzlauer Berg schön und wichtig sind, soll der Kiez-Atlas für den Stadtbezirk auflisten.
Die Barrierefreiheit der Orte steht neben deren Bedeutung auf der Checkliste des Kiez-Atlanten. Sie umfasst einen Checkup auf Zugänge für Menschen unterschiedlicher Beeinträchtigung: Des Seh- und Hörvermögens beispielsweise, auch geistige Beeinträchtigungen oder eingeschränkte Mobilität. Die MacherInnen, das sind dementsprechend Menschen mit und ohne Handicap, die mit Unterstützung des Stadtteilzentrums am Teutoburger Platz, des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und des Bezirksamtes Pankow ihren Stadtteil unter die Lupe nehmen. Mitmachen kann, wer Lust an dieser Art Entdeckung hat.
Entdeckungen für alle
„Es macht Spaß, mit dem Audioguide durch die Räume zu gehen. Man sollte sich viel Zeit nehmen.“ So wird das Schloss Schönhausen bewertet – in einem ähnlichen Kiez-Atlas, der vor einigen Jahren für Alt-Pankow entstand. Detailliert listet das Pankower Büchlein „Pankower Lieblingsorte – Ein Kiez-Atlas für fast alle“ für jeden der beschriebenen Orte Funktion, Angebote, Öffnungszeiten und Besonderheiten auf: Besonders gefallen hat den VerfasserInnen am Schloss Schönhausen zum Beispiel das Interieur des Schlosses: „Kostbare Papiertapeten, goldene Spiegel, das schöne Treppenhaus“ und die Ausstattung, die auch Blinden und Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen den Genuss der Historie ermöglicht: „Der Fahrstuhl hat gesprochen“, es gibt „Pyramidenschrift zum Tasten für Blinde“. Auch, was noch besser sein könnte, steht jeweils bei den Lieblingsorten. Im Schloss Schönhausen sind dies z.B. „Automatische Türöffner“ und „Schaukästen in leichter Sprache“. So ist der Stadtteilführer nicht nur Orientierungsplan zum Wohin und Wie, er ist auch hilfreich für die Betreiber der jeweiligen Einrichtungen, wenn sie auf Barrierefreiheit zusteuern wollen. Diese schafft schließlich Teilhabe und Begegnungsmöglichkeiten aller im Bezirk lebenden Menschen. Für Menschen ohne geistige oder körperliche Beeinträchtigungen ist er zudem ein Wegweiser, welche Barrieren das Alltagsleben im gesamten Bezirk enthalten kann.
Entstehung in Teamwork
Auch für den Stadtteil Weißensee gibt es einen inklusiven Kiez-Atlas, wie der Pankower ist auch der Band „Mittendrin in Weißensee – Ein Kiez-Atlas für fast alle" auf der Homepage des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes www.paritaet-berlin.de downloadbar. Auch dieser entstand in der Ensemblearbeit von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. Der Wegweiser in Weißensee reicht von Buchhandlung über Cafes bis hin zum Jüdischen Friedhof.
Der Pankower Kiez-Atlas enthält 22 Lieblingsorte – vom Einkaufszentrum über das Schloss Schönhausen bis hin zu Bibliotheken und Treffs für Hörbeeinträchtigte.
Nun kommt, als letztes Quartier des Bezirks, der Prenzlauer Berg dazu. Seit kurzem treffen sich Menschen, die mitmachen wollen, im Stadtteilzentrum Teutoburger Platz. In den nächsten zwölf Monaten unternehmen sie gemeinsam Spaziergänge zu Lieblingsorten oder anderen wichtigen Orten im Stadtteil. Die Themen, auf deren Spuren sie spazieren und recherchieren: Mobilität, soziale Infrastruktur, Orte der Entspannung, der Begegnung und der Information, Orte zum Essen und Trinken, der Freizeit und Orte des Wohlfühlens.
In gemeinsamer redaktioneller Arbeit und Auswahl entsteht aus diesen Recherchen der Kiez-Atlas für Prenzlauer Berg. Er soll in leicht verständlicher Sprache verfasst werden und Ende kommenden Jahres als Druckexemplar, im Audio-Format und als Video veröffentlicht werden. Möglicherweise schließen sich an den Kiez-Atlas weitere inklusive Projekte an, beispielweise Stadtteilrundgänge für behinderte und nicht-behinderte Menschen.
Das Plus der Spaziergänge
„Es ist schön, dass auch dem körperlich Behinderten das Interesse für Heimat-Geschichte geweckt wird. Es macht mir viel Freude, daran mitarbeiten zu können und ich möchte es in Zukunft auch weiter tun“, hat eine der Pankower Teilnehmerinnen ihre Erfahrungen an der Mitarbeit des Kiez-Atlas beschrieben. Ein anderer: „Mir haben unsere Treffen viel Spaß gemacht. Besonders die Spaziergänge im Kiez und die Besichtigungen.“ Und ein dritter Teilnehmer schließlich: „Ich gehe zum Kiez-Atlas, weil mir das gefällt. Mehr fällt mir dazu nicht ein.“
-al-, Dez. 2016