STADTTIERGESCHICHTEN (3)

Hundeleben

In Berlin leben etwa 105.000 registrierte Hunde und das regt mich zum nachdenken über sie an. Nicht nur darüber, was sich für uns Menschen ereignet, wenn wir in einer Stadt mit so vielen Hunden leben, sondern auch was Hunde hier in einer Stadt wie Berlin erleben und wie unterschiedlich das mitunter sein kann.

 

Ich mag keinen Lärm, aber wer mag das schon. Manche Menschen können ihn vielleicht einfach nur besser ausblenden. Und wie ist das mit Hunden? Manch Einer behauptet, Hunde hören alles 5 mal lauter. Andere sagen sie hören einfach in einem größeren Umfang. Ich weiß es nicht. Bin ja kein Hundeexperte und schon gar kein Hund. Aber ich habe einen funktionierenden logischen Verstand. Warum sollten Hunde nicht auch unterschiedlich sein? Die kleinen Punkhunde sitzen völlig entspannt an der Kreuzung, während ununterbrochen Autos vorbeirasen. Ein Mittvierziger trainiert noch am selben Tag an der gleichen Stelle seinen niedlichen Beagle, der jedes Mal, wenn er an der Straßenkante angelangt ist mit einem herzzerreißenden jaulen beginnt. Das führt zu einem entnervten „Nein“ des Besitzers und das wiederum führt zu einem verwirrten Hund, der augenscheinlich nicht versteht, warum er jetzt wieder umkehren soll. 

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Auf der Pappelallee, Foto: S. Karma

Dann beginnt das Spiel von vorne. Selbe Voraussetzungen, selber Ausgang. Nur, dass der Mann immer genervter wird und der Hund auch. Unfreiwillig bin ich Teil dieser Szene und mein Inneres schwankt zwischen fragen und schütteln wollen. Nicht den Hund. Was wenn es ihm einfach zu laut an der Straßenkante ist, zu bedrohlich? Was, wenn sein Jaulen ein völlig gesunder Überlebensimpuls ist, der sagt: „Ej du Blödmann, schleif mich nicht so nah an diese Fastautobahn. Ich bin ein sensibler Hund und finde es äußerst schrecklich hier.“ Beginnt man sich im WWW mit dem Thema Hunde und Lärm zu beschäftigen tauchen fast nur Seiten über den Lärm, den Hunde verursachen auf. Wenige behandeln den Lärm dem Hunde selbst ausgesetzt sind. Auf dem Weg nach Hause begegne ich meinen zwei kleinen Nachbarvierbeinern die fröhlich an mir hochspringen und ziemlich entspannt sind. Das versöhnt mich etwas und lässt hoffen, das es genug Menschen gibt, die den Hund nicht nur als zu erziehendes Objekt sehen, sondern auch seine ganz eigene Persönlichkeit berücksichtigen. So wie die alte Hundedame aus dem Vorderhaus, die immer ziemlich traurig und lahm vor sich hin schleicht, aber wenn der erste Schnee fällt, dann rennt sie wie eine Zweijährige, hüpft, hopst, steckt ihren Kopf in das weiße kalte Pulver und schafft es sich kurz von allem Schweren zu befreien. Schon seit drei Jahren falle ich auf diese Verwandlung herein  und könnte schwören, dass es ein anderer Hund ist. Doch jetzt im Frühling lahmt sie wieder vor sich hin und man möchte ihr sanft einen Stups geben und zuflüstern, dass der nächste Schnee bestimmt kommt.

Steffi Karma, Mai 2018