Verlage in Prenzlauer Berg (2)
Die Büchermacher – sie sitzen mittendrin in Prenzlauer Berg. Zahlreiche Verlage haben ihren Standort im Bezirk. Politische Entdeckungen, wissenschaftliche Erkenntnisse und kulturelle
Kuriositäten erobern von hier aus die Lese-Welt. Ein innovatives und geistvolles Kapital, das eher im Stillen wirkt.
Die „Prenzlberger Ansichten“ stellen die Prenzlberger Büchermacher und ihre Bücher vor. Diesmal: be.bra verlag und Vergangenheitsverlag.
Ihre inhaltlichen Wurzeln tragen beide im Namen – als Doppelkürzel der be.bra verlag, dessen Gründungsprofil Berliner und Brandenburger Themen umfasste. Mit ausführlicherem Titel widmet sich der
Vergangenheitsverlag der älteren und jüngeren Geschichte. Knapp 15 Jahre trennen beide voneinander. 1994 erschienen im be.bra verlag die ersten Bücher, 2008 gründete Alexander Schug seinen
Vergangenheitsverlag. Und während die Berlin-Brandenburger ihr lokales Ursprungsprofil auf inzwischen sechs Editionen zu deutscher Geschichte und Zeitgeschichte, regionaler Kultur und
literarischen Besonderheiten ausgeweitet haben, verlegt der Historiker Schug weiterhin vor allem historische Sachliteratur, die Lust aufs Lesen machen und zur unterhaltsamen Bildung beitragen
sollen. Mit einer aktuellen Ausnahme: Dem Stadtführer für Hunde und Hunde-Liebhaber „Fred & Otto“, der nach seiner Berlin-Premiere nun in anderen deutschen Großstädten erscheint. Doch dazu
später.
Denn auch der be.bra verlag hat mindestens einen stadtbezirksbekannten Hund im Repertoire: Den Schnüffler Seneca, der gemeinsam mit seinem Herrchen, dem Detektiv John Klein, mysteriöse Fälle in
Prenzlauer Berg aufklärt. Gerade ist der dritte Band der Kiez-Krimi-Reihe von Thomas Knauf erschienen. „Mord hält jung“ heißt er verheißungsvoll und führt zu mehreren Leichen in ein Altenheim am
Weinbergsweg.
Viel weiter weg, zeitlich und topographisch, führt die „Preußenkrimi-Reihe“ von Tom Wolf, von der inzwischen 13 Bände und zwei Hörbücher vorliegen. Der Verlag erfand 2001 ein völlig neues Genre.
Berühmte Ermittler wie E.T.A Hoffmann und Theodor Fontane erforschen fiktive und reale Kriminalfälle in dieser Reihe.
Zum Programm von be.bra gehört auch eine fernöstliche Kostbarkeit: Als einzige literarische Reihe in Deutschland publizieren die Büchermacher mit Sitz in der Kulturbrauerei eine „japan edition“
zeitgenössischer Autoren. In der „edition q“ wiederum erscheinen kulturelle Bände: unterhaltsame Lexika, außergewöhnliche Lebensgeschichten und Filmführer ebenso wie kulinarische Reiseführer.
Die „berlin edition“ begleitet aktuelle Entwicklungen und historische Erkenntnisse in Berlin und Brandenburg. Der Klassiker dieser Reihe, der Touristführer „Die Berliner Mauer“, wird inzwischen
in acht Sprachen herausgegeben.
Ihrem Heimatbezirk Prenzlauer Berg haben die be.bra-Büchermacher ganz unterschiedliche Publikationen gewidmet. Neben den Krimis sind das u.a. der schöne Band „Im Osten geht die Sonne auf.
Berichte aus anderen Zeiten“ von Jutta Voigt. Die Kollwitzplatz-Bewohnerin versammelt darin Porträts, Begegnungen und Reportagen von Menschen und Ereignissen aus der Zeit der politischen Wende.
Ganz aktuell ist Knut Elstermanns „Meine Winsstraße“ erschienen. Der Filmjournalist wandelt durch die Straße seiner Kindheit und entdeckt berühmte und weniger berühmte Mit- und
Nachbewohner.
Entdeckungen ganz anderer Art machte Alexander Schug, als er seinen kleinen Hund Otto bekam. Der Inhaber des Vergangenheitsverlages lernte Prenzlauer Berg und Berlin mit vierbeiniger Begleitung
noch einmal ganz neu kennen. Aus diesen persönlichen Erfahrungen zu zweit entstand der Hundeführer „Fred und Otto“, der alles Wissenswerte für Hunde und ihre Besitzer umfasst.
Es ist etwas Eigenes um diesen fünf Jahre jungen Verlag mit Sitz am Friedrichshain: „Sein Programm erzählt mein eigenes Leben und die Geschichte meiner Begegnungen“, beschreibt es Alexander
Schug im Gespräch mit den „Prenzlberger Ansichten“.
Das Büchermachen ist das zweite Standbein des Historikers, der im Auftrag von Unternehmen deren Geschichte erforscht und aufschreibt. Weil ihm das nicht genügt, sucht er eigene
publizistisch-geschichtliche Themen. Ein vergnügliches Beispiel ist das Ringbahn-Buch „Ring frei“. Es schickt seine Leserinnen und Leser mit der Ringbahn einmal rund um Berlin und lässt sie an
jeder Station aussteigen. Eine Reise und eine Zeitreise, denn was rund um die jeweiligen S-Bahnhöfe zu erkunden ist, haben verschiedene Autoren kurz notiert. Die vier Prenzlauer Berger
Ringbahn-Stationen leiten das Ring-Buch ein.
Das Gesamtprogramm des Vergangenheitsverlages umfasst 60 Titel. Allein 20 Titel erscheinen in diesem Herbst. Darunter ist das derzeitige Lieblingsprojekt des Verlegers: Ein Werkverzeichnis
und eine Kurzbiographie des Bauhäuslers Herbert Bayer. Der Gebrauchsgrafiker modernisierte in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts mit seinen Plakaten, Buch- und Zeitschriftentiteln
die Werbe-Branche. Die beiden Bände erscheinen begleitend zur Ausstellung „mein reklame-fegefeuer“ des Bauhaus-Archivs und widmen sich einem Künstler, mit dem sich Alexander Schug seit seinem
Studium beschäftigt.
Verwiesen sei noch auf eine kleine feine Lektüre: „Mit Kraft und Licht wider den Ungeist der Zeit“ beschreibt das Leben des Pfarrers Johannes Schwartzkopff, dessen Wohnung im Prenzlauer Berg in
der Hitler-Ära zu einer Anlaufstation für verfolgte Juden und Christen jüdischer Herkunft wurde und der durch seine Hilfe Leben rettete.
✒ -al- (Nov 2013)
Mehr Anregungen zum Lesen:
www.bebraverlag.de
www.vergangenheitsverlag.de