Nachdem es im ersten Teil im August überwiegend um den Großhändler VW OGS ging, befasse ich mich in diesem zweiten Teil mit einem Bahnhof, der unter dem Namen „Eberswalder Straße“ offiziell bis 1988 betrieben wurde. Es geht um den ursprünglichen „Nordbahnhof“ in der Bernauer Straße, der diesen Namen bis 1950 trug, auf deren größter Fläche heute der Mauerpark ist und wo unter anderem „Groth“ baut. Da Stettin seit der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch die DDR offiziell zu Polen gehört, wollte man diesen Namen im Stadtgebiet tilgen und so kam es zu diesem Namenswechsel.
In den „Gründerjahren“
Ursprünglich als Personen- und Güterbahnhof geplant, ging der erste Teil als reiner Güterbahnhof am 10. Juni 1877 für die „Nordbahn“ Berlin – Stralsund in Betrieb. Gleichzeitig wurde eine 1,78 Kilometer lange Kurve vom Bahnhof Gesundbrunnen und der Stettiner-Bahn zur Nordbahn in Richtung Norden in Betrieb genommen. Am 1. Dezember 1877 folgte der Anschluss vom Nordbahnhof direkt zum Bahnhof Gesundbrunnen. Weil dieser und der Stettiner Bahnhof zu diesem Zeitpunkt für den Personenverkehr von der Kapazität her noch ausreichte, wurden im Nordbahnhof nur die Güter für die beiden anderen Bahnhöfe abgefertigt. Aber der Personenverkehr stieg in den folgenden Jahren gewaltig. Und so wurde für den Vorortverkehr 1892 ein provisorischer Bahnsteig am Schnittpunkt mit der Ringbahn, unter dem Namen „Gesundbrunnen (Nordbahn)“, angelegt. Das kleine Empfangsgebäude stand an der Bernauer Straße. Am 1. Oktober 1893 ging die von der Nordbahn abzweigende Kremmener Bahn in Betrieb. Diese nutzte jedoch als Abfahrt und Ziel sowohl den Stettiner als auch den Nordbahnhof. Nach massiven Kundenbeschwerden über dieses Durcheinander wurde am 1. Februar 1898 ein neuer, separater Vorortbahnhof am Stettiner Bahnhof in Betrieb genommen. Dessen denkmalgeschütztes, ehemaliges Empfangsgebäude steht heute an in der Julie-Wolfthorn-Straße Ecke Zinnowitzer Straße, beides ja Verlängerungen der Bernauer Straße. Daraufhin wurde der Personenverkehr am Nordbahnhof komplett eingestellt.
Nachkrieg und Einstellung
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg sollen, laut Augenzeugenberichten, noch einmal Personenzüge, sogenannte „Hamsterzüge“, bis etwa 1950, ab der Bernauer Straße gefahren sein. Mit Beginn der „Berlin-Blockade“ durch die Sowjetunion, als Folge der D-Mark-Einführung in den Westsektoren am 24. Juni 1948, durften Westberliner zwar noch nach Ostberlin, aber nur mehr eingeschränkt in die damalige sowjetische Besatzungszone. Das verringerte bereits den Personenverkehr ins Umland massiv. Im Jahr 1950 stellte die Reichsbahn zudem den Güterverkehr von der DDR nach Westberlin ein. Das war ein Problem für den im französischen Sektor gelegenen und von drei Seiten ihn umgebenen, in Bahnhof Eberswalder Straße umbenannten und nun wieder reinen Güterbahnhof. Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 war gewissermaßen sein „Todesstoß“. Ein Rangierverkehr des Kopfbahnhofes im nun neuen Grenzgebiet bis zur Bornholmer Straße war „aus Sicherheitsgründen“ nicht mehr möglich und der Anschluss zum Güterbahnhof Pankow war gekappt. Schon ab 1950 hatten sich indes kleinere Gewerbebetriebe auf dem Gelände angesiedelt. Im Jahr 1980 wurde der Bahnhof als eigenständige Reichsbahndienststelle aufgegeben und dem Bahnhof „Berlin-Moabit“ untergeordnet, am 11. Juli 1985 wurde der Betrieb auf dem Bahnhof schließlich ganz eingestellt. Im Rahmen eines Gebietsaustauschs wurde eine Hälfte, der heutige Mauerpark, 1988 in Abstimmung mit allen Alliierten, offiziell dem Stadtbezirk Prenzlauer Berg übergeben und die Grenzsicherungsanlagen ausgebaut. Empfehlenswert ist die ZDF-Dokumentation von Werner Doyé aus dem Jahre 1986 – die man sich bei YouTube kostenlos anschauen kann – die unter anderem diesen stillgelegten Bahnhof zeigt (eingeben: „Berliner Mauer 1986“).
Nicht realisierte Pläne
In der DDR gab es nach der Übergabe dieses halben Bahnhofsgeländes weit fortgeschrittene Planungen, eine Betriebsstrecke für S-Bahn vom Bahnhof Alexanderplatz unterirdisch bis in die Oderberger Straße zu bauen und diese Strecke ab Eberswalder Straße oberirdisch in Richtung Bornholmer Straße – Bahnhof Pankow einzufädeln. Allein die Wiedervereinigung ein Jahr später verhinderte diesen kostspieligen Bau. Aber, alle zuständigen Stellen, Ministerium für Staatssicherheit, Grenztruppen der DDR, Deutsche Reichsbahn, hatten diesen Plänen zum Zeitpunkt der ersten Grenzöffnungen bereits zugestimmt.
Rolf Gänsrich, November 2016