Aufgeschreckt wurde ich durch die Meldung, dass wohl Füchse im „Leisepark“ an der Heinrich-Roller-Straße angeblich Knochen ausgegraben hätten. Fakt ist aber, dass der „Leisepark“ und die
angrenzenden Friedhöfe auf beiden Seiten der Straße „Prenzlauer Berg“ wichtig für die Natur und für das Stadtklima sind. Die in ihrer Dichte weiter zunehmende Bebauung des Prenzlauer Bergs
braucht solche Oasen.
Ich möchte dabei auch darauf verweisen, dass mal ein komplett neuer Stadtteil im Norden Pankows geplant war. Dabei sollte die S-Bahn mit der S 75 von Wartenberg bis zur S 8 nach
Mühlenbeck-Mönchmühle verlängert werden. In dieses Konzept gehörte auch der schon lange überfällige Bau der U-Bahn-Linie 10 vom Alexanderplatz über Greifswalder Straße, Weißensee bis nach
Malchow und weiter.
Am Anstieg auf dem Georgenkirch-Parochialfriedhof in der Greifswalder Straße sieht man wohl am deutlichsten, dass die Greifswalder Straße in einem prähistorischen Flussbett liegt, das entstand,
als am Ende der letzten Eiszeit die Gletscher vollends abschmolzen und sich das Wasser seinen Weg bis in das Berliner Urstromtal wühlte. Der St. Marien-St. Nikolai-Friedhof besteht aus zwei
Teilen. Der erste, ältere, ist noch innerhalb der ehemaligen Akzise-Mauer, unterhalb der Straße „Prenzlauer Berg“, angelegt. Bedeutende Größen haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Die
Familie Stargard zum Beispiel, die übrigens nicht die Namensgeber der Straße weiter nordwestlich sind. Nach der Familie Spindler ist dagegen ein ganzer Berliner Stadtteil (bei Köpenick) benannt.
Sie hatten in jenem Ortsteil ihre Großwäscherei. Halb Berlin wurde dort sauber. Und weil man dort sehr viele Arbeitskräfte brauchte, bekamen sie ihre eigene S-Bahn-Anbindung, wie ja auch mal
Siemens bis 1980 eine solche hatte (ab Jungfernheide die Stationen: Wernerwerk, Siemensstadt, Gartenfeld).
Der obere, zweite Teil des St. Marien-St. Nikolaifriedhofs ist weniger pompös. Auf ihm liegen nicht ganz so bekannte Persönlichkeiten. Im Sommer ist er herrlich verwildert. Selbst Greifvögel
sollen auf dem Friedhof brüten. Auch ehemals eiszeitliche Kräuterpopulationen haben sich auf ihm angeblich gehalten. Seit wenigen Jahren finden auf diesem Friedhof auch wieder Beerdigungen
statt. Dürfte ich mal wählen, wenn MEINE Zeit dereinst kommt, würde ich gern selbst dort beigesetzt werden. Weil etwa ein Drittel des Areals schon seit Jahren nicht mehr gebraucht wird, wollten
die verantwortlichen Kirchgemeinden ursprünglich Wohnhäuser auf dem Gelände bauen. Massive Anwohnerproteste hatten Erfolg und so wurde aus diesem Friedhofsteil der „Leisepark“, der im Juni
letzten Jahres eröffnete. Schüler der „Grundschule an der Marie“ hatten ein Jahr zuvor diesen Namen als Vorschlag für den künftigen Park eingereicht.
Durch ein Mauerstück gelangt man vom St. Marien-, St. Nikolaifriedhof hinüber zum Friedhof der St.-Georgen-Parochial-Gemeinde. Die Familie Bötzow ist auf ihm, im Vergleich, eher schlicht
beigesetzt. Der Familienclan besitzt mehrere Grabstätten auf dem Areal, das im Übrigen nicht halb so ein verwildertes Flair hat, wie der andere Friedhof. Von der Stadt gepflegt wird die Gruft
der Familie Zeitler. Sie ist wirklich sehenswert. An der linken äußeren Wand ist in Stein gehauen eine recht aktuelle Inschrift, die die Frage beantwortet, wie teuer denn seinerzeit solch eine
Familiengruft war.
Das ganze Gegenteil von „schlicht“, mit allem Pomp gebaut und überhaupt nicht zu übersehen ist die in Form eines monumentalen dorischen Tempels errichtete Grabstätte der Familie Pintsch.
Dass es sich dabei um einen Klempner handelt, glaubt man dabei kaum.
Julius Carl Friedrich Pintsch lebte vom 6. Januar 1815 bis 20. Januar 1884. Nach ihm sind das „Pintsch-Gas-System“ und die „Pintsch-Boje“ benannt. 1878 wurde ihm der Ehrentitel eines
Königlich-Preußischen Kommerzienrats verliehen. Viele der teuer aus England eingeführten Gasgeräte jener Zeit waren reparaturanfällig, sodass für Julius Pintsch der Gedanke nahe lag, bessere
Armaturen und Apparate zu produzieren. 1847 stellte er einen sorgfältig gebauten Gasmesser eigener Konstruktion vor.
(Quelle: Wikipedia)
Apropos Gasversorgung: Im Krieg wurde der Prenzlauer Berg ja bekanntlich zu fünfundneunzig Prozent nicht zerstört. Wie mir etwas betagtere Teilnehmer einer meiner Führungen im März berichteten,
lag das daran, dass auf dem Gelände der ehemaligen Gasanstalt (dort, wo seit 1986 der Thälmannpark ist) viele Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge arbeiteten und die Alliierten bei ihren
Bombenangriffen vor allem die schützen wollten.
Zum Abschluss noch Gratulation zum „Fünfjährigen“. Um sozialschwachen Bürgern – nach der Schließung von Bibliotheken – weiterhin den Zugang zu Literatur zu ermöglichen, wurde im März 2008, in der
Winsstr. 30 das Projekt „Sozialer Bücherladen“ gestartet (Projekt des „Ein Lichtstrahl e.V.“). Auch Kinder haben hier die Möglichkeit sich Kinderbücher und Literatur für den Schulunterricht
auszusuchen. Die Bücher werden gegen eine Spende, des eigenen Ermessens, weitergegeben. Darüber hinaus können die Bücher behalten werden, sind also keine Ausleihe. Auf hundert Quadratmetern gibt
es neben Regalen voller Lektüre auch DVDs, CDs und Schallplatten. Die Spenden stammen u. a. von Anwohnern oder aus dem Bestand Genommenes von Bibliotheken. Größere „Posten“ werden auch
abgeholt. Der Bestand wechselt ständig – je nach Angebot und Nachfrage. Besonders gefragt sind Kinderbücher, auch Sachbücher, Krimis Belletristik oder Biografien werden hier nicht zum Ladenhüter.
Monatlich stattfindende Veranstaltungen, wie z.B. Lesungen, runden das Angebot ab.
✒ Rolf Gänsrich (April 2013)