Der Ur-Berliner w o h n t in der Weltstadt Berlin; sein Leben aber spielt sich in seinem „Kiez“ mit unsichtbaren Demarkationslinien ab: „Mein Kiez kommt mir manchmal schon fast dörflich vor ...“ so die in den Prenzlberg gezogene Schauspielerin und Neu-Berlinerin Heike Makatsch (DB–Magazin „mobil“ 11-2011).
Die Greifswalder Straße im Süden, die Danziger Straße im Osten und die Prenzlauer Allee im Norden umschließen den Winskiez; es geht das Gerücht, dass es Bewohner gibt, die diese Grenzlinien noch nie in ihrem Leben überschritten haben (... so, wie es Menschen im „alten“ West – Berlin geben soll, die noch nie im „Osten“ waren – und umgekehrt! ...).
Diese letzte Folge „Menschen und Kneipen im Winskiez“ widmet sich dem zugehörigen Stück der Prenzlauer Allee beginnend beim „Café Übereck“ – äußerlich unscheinbar an der Ecke zur Christburger Straße, im Inneren den Charme der 1990er Jahre widerspiegelnd mit langer Theke, schummriger Beleuchtung und einem umfangreichen Zeitungsangebot.
Peter Alexander (1926–2011), Schlagersänger und Entertainer hat mit einem kleinen Lied (mit dem romantischen Text von Michael Kunze) allen Kneipen dieser Welt ein idyllisch-musikalisches Denkmal gesetzt:
„Die kleine Kneipe in unserer Straße
da, wo das Leben noch lebenswert ist,
dort in der Kneipe in unserer Straße
da fragt dich keiner
was du hast oder bist ...“
Der „Prenzlauer Krug“ war bis 2003 so ein gemütliches Stück Alt-Berlin – familiär geführt vom Wirtsehepaar Marianne und Hagen R. – frisches Bier vom Fass, kleine Speisen wie das legendäre „Würzfleisch“ und anregende Gespräche über Gott und die Welt – die anheimelnde Atmosphäre zwischen real existierender Vergangenheit und der rauen neuen Wirklichkeit zog Alleinstehende, Paare und Familien an. Vorher betrieben die Wirtsleute eine Gaststätte, die mit dem Lied „Heute bin ich allein“ von Reinhard Lakomy (Text: Fred Gertz) kiezübergreifend bekannt war:
„Abends geh`n wir alle in die „Böse–Buben Bar“. Und dann bestell `n wir uns ein riesengroßes Fass. Da war ich das letzte Mal vor einem Jahr. Steht denn das Billard noch? Darauf war ich ein As.“
Eine Invasion von Imbiss – Buden setzte unmittelbar nach der Einheit ein und brachte den Döner in den Ostteil der Stadt, aber auch die hier immer schon heiß geliebten Broiler. Das heutige „Cihan-Bistro“ zwischen Marienburger Straße und Immanuelkirchstraße etablierte sich bald zur Speisekammer des Kiezes – zu jeder Tag- und Nachtzeit.
Direkt daneben ist man „Bei Bine“, eine der letzten Kneipen im Winsviertel. Viele Jahre prägte die Namensgeberin mit ihrem freundlichen aber auch resoluten Wesen die Gastwirtschaft mit eigener Dart-Mannschaft, Durchführung von Familienfeiern und Festen zu jedem sich bietendem Anlass. Kiezoriginale vor und hinter der Theke machten das besondere Flair aus – doch Bines fröhliches Lachen fehlt ...
Im Internet bei „Qype“ unter „lightwolf“ gefunden: „Die S.O.S.-Bodega heißt seit ... 2009 nur noch Bodega. Ansonsten ist alles geblieben inklusive den Gästen, Fußballfans und der Großleinwand.“
Die letzte Schenke auf der Allee ist das „Café Prenzlau“ – halb Kneipe, halb Restaurant und eher kein Café. Es wirkt wie in die Jahre gekommen, aus der Zeit gefallen ...
Am Ende der Serie steht ein Liedtext des Liedermachers Ulrik Remy aus den 1970er-Jahren:
„es ist stets dieselbe kneipe,
es ist stets das gleiche bier,
du triffst stets dieselben leute,
denn du wohnst schon beinah hier;
und der wirt macht dir ´nen deckel,
wenn du knapp bei kasse bist ...
... und so drehst du dich im kreise,
andere drehen sich mir dir
um die kneipe um die mädchen,
und nicht zuletzt ums bier –
manchmal fühlst du dich zuhause,
manchmal fühlst du dich allein,
doch du tröstest dich: woanders
wird es auch nicht anders sein,
und dann am nächsten tag
fällt´s dir ganz allmählich wieder ein,
und du denkst: mensch, muss ich gestern wieder voll gewesen sein!“
✒ Christian Robbe (Dez 2011)