... in der Rykestraße ist die größte Synagoge Deutschlands

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin Kollwitzplatz

Das ist ja 'n Ding, dieses Foto! Walter Ulbricht und Nikita Chruschtschow im offenen Tschaika ... ??? Nee, das war damals 'ne original „Sachsenring“-Spezialanfertigung – eine Miniserie von nur sechs Fahrzeugen … an der Ecke Dimitroff (Danziger) Str./Schönhauser Allee. Mein fuffzichster liegt nun hinter mir. Am gleichen Tag hatte auch Walter Ulbricht (der, der nicht die Absicht hatte, eine Mauer zu errichten) Geburtstag. Das fand ich als Kind immer schlimm.

 

Mit Chruschtschow verbindet mich etwas anderes: Als Neugeborener hatte ich genau so eine „kahle Atta“ (Berlinerisch für Kahlkopf) wie er, weshalb man mich in den ersten Lebensjahren „Nicki“ nannte.
Über die Danziger 50 habe ich wohl noch nie ausgiebig berichtet. Soviel ich weiß, übernahm der Kulturverein Prenzlauer Berg 2005 dieses marode Gebäude. Es ist eigentlich eine ehemalige Schule und diese sowie das genutzte Schulgebäude sind noch die Bauten, die man über die Tordurchfahrt erreicht, aber das Vorderhaus war 2005 im Inneren eine Ruine. In mühevoller, vorwiegend ehrenamtlicher Arbeit wurde die Danziger 50 denkmalgerecht saniert und im Jahr darauf als Kulturzentrum eröffnet. Die Arbeiten wurden aus Mitteln der Europäischen Union und des Landes Berlin gefördert. Vor wenigen Tagen, am 25. Juni, gab es aus diesem Anlass einen „Tag der Offenen Tür“. Der Kulturverein Prenzlauer Berg bewirtschaftet u. a. auch „Betreutes Wohnen für Alleinerziehende“ in der Kollwitzstraße 94. Hinweisen möchte ich bei dieser Gelegenheit auch auf ein auffälliges Gebäude gegenüber: auf das Wohnhaus Danziger/Ecke Senefelderstraße, das um 1895 nach Plänen von Eugen Reethen erbaut wurde und ein fünfgeschossiger, mit Klinkern verblendeter Bau ist mit reich geschmückter Fassade im Neorenaissance-Stil, Eck-Erkern und aufgesetzten sechseckigen Ecktürmen.
Die Berliner Kulturbrauerei ist ein 25.000 m² großes Bauensemble. Sie steht seit 1974 unter Denkmalschutz und gehört zu den wenigen gut erhaltenen Berliner Industriearchitektur-Denkmälern vom Ende des 19. Jahrhunderts. Der Apotheker August Heinrich Prell gründete im Jahr 1842 in Kreuzberg eine kleine Brauerei. Sein im Keller hergestelltes untergäriges Bier bot er vor Ort in einem Ausschank an. Trotz 35 weiterer Brauereien im Berliner Raum florierte das Geschäft, so dass Prell neue Lagerkeller in der Schönhauser Allee 39 an der Stelle der heutigen Kulturbrauerei errichten ließ. Nach dem Tod des Firmengründers im Jahr 1853 übernahm Jobst Schultheiss das Unternehmen. 1891 fusionierte die Brauerei mit der „Tivoli-Brauerei“. Daraufhin stieg sie mit 43 Niederlagen mit Eiskellern, 19 Ausschanklokalen, 65 Eisenbahnwaggons, 533 Wagen und 537 Pferden zur größten Brauerei Deutschlands auf. Nach dem Zusammenschluss mit der „Patzenhofer-Brauerei-AG“ im Jahr 1920 entstand die weltgrößte Lagerbierbrauerei mit Hauptsitz in der Schönhauser Allee.
Während des Zweiten Weltkrieges wurden in den Kellerräumen der Brauerei „kriegswichtige Artikel“ wie z. B. Funkgeräte gebaut. Auch dienten die Gebäude als Lager für die SS. Noch in den letzten Kriegstagen verschanzte sie sich auf diesem Gelände und wagte von hier aus, noch kurz vor der Kapitulation Berlins, einen Ausbruch durch die Keller; wie mir mein Vater in seinen Erinnerungen immer wieder berichtet hatte auch in der Pappelallee, in Richtung Norden.
Mit Befehl der Besatzungsmacht vom 30. Oktober 1945 wurde das Unternehmen beschlagnahmt und bis zur Umwandlung in den volkseigenen Betrieb VEB Schultheiss-Brauerei Schönhauser Allee als sowjetische Aktiengesellschaft weitergeführt. Allerdings folgte im Jahr 1967 das definitive Ende des Brauereibetriebes. Viele kleinere Betriebe nutzten in den darauf folgenden Jahren das Areal. Ein Gast meines Kiezspaziergangs im Mai erinnerte mich an das Möbellager auf dem Gelände, von dem auch meine Eltern ihre erste Schrankwand abholten. Witziges am Rande: Eines der ersten Worte, die die Tochter einer nah wohnenden Bekannten nach „Mami“ und „Papi“ sagte, war „Kulturbrauerei“.

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Mit Mike wollte ich mich eigentlich über die Synagoge in der Rykestraße unterhalten. Seine Großmutter wohnte einst direkt neben dieser und hatte Einblicke auf den Hof, aber immer wieder kamen wir am Telefon viel zu schnell auf andere Themen. Die Synagoge in der Rykestraße ist seit ihrer Wiedereinweihung 1953 die größte Synagoge Deutschlands und noch größer als die viel berühmtere in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte. An der Synagoge begannen die Trauerzüge, welche bei Beerdigungen über den Judengang vom Kollwitzplatz zum jüdischen Friedhof führten.
Das Gebäude der Synagoge wurde 1903/04 nach Entwürfen des Architekten Johann Hoeniger im neo-romanischen Stil errichtet. Vorausgegangen war ein aufwendiges Genehmigungsverfahren. Die Einweihung fand nach zehn Monaten Bauzeit am 4. September 1904 gerade rechtzeitig zu den hohen Feiertagen des Jahres 5665 statt. 1922 richtete der jüdische Schulverein im Vorderhaus die III. Private Volksschule der jüdischen Gemeinde ein.
Die Synagoge ist inmitten der Wohnhäuser des Kiezes, was während der Pogromnacht 1938 eine vollständige Zerstörung verhinderte. Nachbargrundstücke sollten durch eine Zerstörung nicht gefährdet werden. Nachdem im April 1940 der letzte Gottesdienst stattgefunden hatte, wurde die Synagoge nach der Konfiszierung durch die Heeresstandortverwaltung ab Mai 1940 als Depot und Pferdestall missbraucht. Nach Kriegsende wurden im Vorderhaus der Synagoge zeitweise Juden aus Osteuropa untergebracht (Displaced Persons), die das Regime überlebt hatten. Am 29. Juli 1945 wurde durch den Rabbiner Martin Riesenburger das erste Paar getraut. Als einzige erhaltene Synagoge in Ost-Berlin wurde sie nach einer umfangreichen Renovierung am 30. August 1953 durch Riesenburger wieder geweiht.
Als recht störend empfinde ich die (sicher notwendige) hohe Polizeipräsenz und die Absperrungen vor der Synagoge, die auch ein Halten auf der gegenüberliegenden Straßenseite mehr als erschweren. Geht die Überwachung der Synagoge nicht diskreter? Ich habe noch keine Kirche oder Moschee in Deutschland kennengelernt, die so einschüchternd und provokativ gesichert wurde.

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Das Prenzlauer Berg Museum, Prenzlauer Allee Ecke Mühlhauser Straße gehört dem Museumsverbund Pankow an, zu dem sich am 1. Januar 2001 das Prenzlauer Berg Museum, das Panke Museum, die Chronik Pankow sowie das stadtgeschichtliche Museum Weißensee zusammengeschlossen haben.
Das Museum befindet sich in den Räumen einer ehemaligen Gemeindedoppelschule (Unterricht für Mädchen und Jungen) und wurde zwischen 1884 und 1886, nach Plänen von Ludwig Hoffmann errichtet. Das Prenzlauer Berg Museum beherbergt heute weiterhin die Kinder- und Erwachsenenbibliothek am Wasserturm und zusätzlich Unterrichtsräume der Volkshochschule sowie das Museums-Archiv, auf dem wir für diese Zeitung immer wieder Informationen, Bilder und vor allem Inspirationen holen. Derzeit wird das Gebäude gründlich saniert.
Im Gegensatz zu ähnlichen Einrichtungen in anderen Berliner Stadtteilen ist das Archiv nicht direkt an eine Bibliothek gekoppelt und nicht mit dieser gemeinsam in einem Raum, sondern es ist separat, was natürlich auch zusätzliches Personal erfordert, in einem dieser typischen ehemaligen Unterrichtsräume.
Genutzt wird das Archiv sehr viel, allerdings beklagen Nutzer, dass es gelegentlich wieder einmal auf den neuesten Stand gebracht werden sollte. Auch fehlt es direkt an Nachschub von Materialien und historischen Bildern, das dann aber auch erst wieder neu eingepflegt werden müsste, wozu jedoch der Institution die Personaldecke fehlt, die nun wiederum durch die Sparpolitik des Landes Berlin nicht möglich ist.
Rolf Gänsrich (Jul 2011)