Wohnen in Holz

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Außen Putz und Mineralwolle, innen Holz: Das e 3 in der Esmarchstraße.

In Prenzlauer Berg lebt es sich behaglich in den wieder schicken Gründerzeit-Häusern.
Es lebt sich zeitgemäß in den in Lücken errichteten, mal mehr oder weniger gelungenen Neubauten. Manchmal verbergen sich hinter unscheinbarer Fassade kleine Wunder – wie in der Esmarchstraße.

Haben Häuser eine Seele? Ein Gesicht, ja. Das Haus-Gesicht – Fassade, Dach, Balkone – zeugt von Moden, Experimenten oder dem Gestaltungswillen der Architekten. Und natürlich haben Häuser einen Körper: Ihre Konstruktion und das Fundament, auf dem sie stehen. Der Haus-Körper gibt den Menschen, die er beherbergt, Schutz.
Ein Haus ist in erster Linie ein funktionales und ästhetisches Gebilde. Aber eine Seele, hat ein Haus eine Seele?
Da, wo die Esmarchstraße als kleines Anhängsel auf die Käthe-Niederkirchner-Straße mündet, da steht es. Steht zwischen Gründerzeit-Bauten, fügt sich ein in hellgelben und beigen Stuck und Schnörkel, sticht in seiner Unprätentiosität doch hervor. Im sinnlichen Weiß ist die Fassade, ein wenig großstadt-ergraut inzwischen. Möglicherweise spiegelt sich auch nur der graue Winterhimmel im Farbton der Mauern.
Auf den hölzernen Balkonen und Eingangstoren liegt die sanfte Patina mehrerer Winter. Ganz unten, neben der Fensterfront im Erdgeschoss, prangt das unvermeidliche Graffiti. Und am Gitter des offenen, transparenten Treppenhauses rankt der Efeu.

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Ein externes, transparentes Treppenhaus verbindet das e 3 mit seinem Nachbarhaus.

Sechs Jahre steht es hier schon, das e 3. Ist in dieser kurzen Zeit beinahe ein Klassiker geworden. Manchmal setzen sich architektonische Ideen eben rasant in die Normalität.
Das Haus ist aus Holz. Das klingt ganz unspektakulär und war doch, ist es noch, ein feines Wunder in der Baubranche. Sein komplettes Tragwerk, die Konstruktion, die sieben Stockwerke trägt, ist aus Holz, dazu die Mauern. „Wir haben mit dem Haus ein kleines Stück Stadtplanungsgeschichte geschrieben“, hatte der Architekt Tom Kaden zur Eröffnung des 22 Meter hohen e 3 gesagt. Erstmals wurde damals, 2008, ein großstädtisches Hochhaus aus Holz errichtet. Groß, schlank und urban, gesund und … irgendwie lebendig.
Warum ein Hochhaus aus Holz? Klimaschützer schwärmen von der positiven Energiebilanz des Baustoffs. Statt den Klimakiller Kohlendioxid auszustoßen, verwandelt Holz ihn während seines Wachstums zu Sauerstoff. Holz ist zudem ein sogenannter nachwachsender Rohstoff, je nach Art schnell und günstig. Holz ist komplett recycelbar. Das Material sorgt für lebendige, gesunde Wohnatmosphäre und geringen Energie- und Heizverbrauch während des Lebenszyklusses eines Hauses.
Im Zuge des Klimaschutzes und in Zeiten, da dem Bauen und Sanieren per Gesetz immer meh Energie-Effizienz verordnet wird, haben Bauherren den uralten Baustoff Holz wieder entdeckt. Und all jene Mieter, die mit Wärmedämm-Argumenten aus ihren Häusern wegmodernisiert werden oder denen hinter dicken Polysterol-Fassaden die Atemluft knapp und das Tageslicht spärlich werden, die hätten wohl lieber ein Wohnhaus aus Holz.

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Urban Green Living im Bötzow-Kiez: Das e 3 wurde 2008 gebaut, als erstes großstädtisches Haus aus Holz. Fotos (3): al

Von außen ist am e 3 so viel Holz gar nicht zu sehen. Es ist gut verpackt hinter einer Schicht aus Mineralwolle und Putz. Weil eine reine Holzfassade nicht in das urbane Erscheinungsbild der Esmarchstraße gepasst hätte, sagt der Architekt. Und weil der Baustoff Holz besondere Brandschutz-Methoden braucht. Damit die erhöhte Feuergefährdung keine Gefährdung für die Menschen darstellt.
Aber innen: Fußböden und Decken, viele einzelne Elemente aus purem Holz. Lediglich einige Holzwände verschwinden hinter Gipskarton, auch dies aus Brandschutzgründen. Hell, großzügig, freundlich und warm sind die Wohnräume. Nicht die Spur von hölzerner Kuckucks-Uhr-Heimeligkeit. Das ist ohnehin Geschmackssache, doch zeigt sich hier, im Innenraum, die wahre Qualität des Wohnens in Holz. Es ist das leichte Knarzen von Holzdielen; es sind die feinen Färbungen, die Holzböden und -decken annehmen; die Ahnung davon, wie dieses Holz roch und atmete, als es noch ein Baum war und im Wald stand. Die gute Luft und der helle Ton, den das Holz den Räumen gibt.
Es werden mehr Großstadt-Häuser aus Holz. Im Nachbar-Kiez, in der Christburger Straße, steht die Schwester des e 3. Schmaler, doch fast genauso hoch, frecher mit seinen Fenster-Würfeln, die sich aus der Fassade recken. Und auch mit anderer Funktion: In der Esmarchstraße wohnen Menschen, in der Christburger arbeiten sie. Die jüngere Schwester ist ein Familien- und Gesundheitszentrum, das sich zwischen Wohnhaus und Schule schmiegt.
Holz arbeitet, sagen Bauleute. Holz lebt, sagen jene, die sinnlichere Metaphern mögen. Und kluge Architekten sagen: Ein Haus ist wie die zweite Haut des Menschen.
Katharina Fial (Jan 2015)

Vorreiter und Entscheider der Branche, darunter der Architekt des e 3, referieren und diskutieren in Prenzlauer Berg über die Möglichkeiten von Bauen mit Holz und anderen energieeffizienten Materialien, beim Branchen-Dialog „Das Green Building Prinzip“ am 27. Januar im AEDES Architekturforum am Pfefferberg. Infos unter: 030/69 81 42 78 oder auf 

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