AM FRIEDRICHSHAIN

In der Hinterhofschleife

Hinter dem Filmtheater macht die Straße Am Friedrichshain einen Knick. Sie führt in ein stilles Quartier um einen grünen Spielplatz. Es ist ein kleines Mix-Quartier, das viel auf einmal birgt:  Wohnbauten, Seniorenresidenz, Hotel, einen Kindergarten und ein Verlagsgebäude. Beobachtungen.

Fahrräder. Ordentlich in Reihen aufgestellt, angeschlossen an den Zaun, der den Spielplatz von der Straße trennt. Mountainbikes und Damenräder, Kinderräder, Stadträder. Hier leben, den Fahrrädern nach, ganz unterschiedliche Menschen. Autos parken einen Knick weiter hinten, direkt vor dem Wohnkomplex. Es sind kleine Autos. Hier leben ganz offensichtlich auch Menschen mit wenig Geld.

Die Wohnbauten bilden ein U um den Spielplatz in der Mitte. Zwei Blocks davon, das L, sind Bauten aus den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Der dritte Block kam später dazu – eine kleine Platte, aus den 70er Jahren vielleicht. Vor den Häusern blühen Rosenstöcke auf kleinen Beeten. Die Briefkästen liegen als Fächer in Blöcken übereinander – für Berliner Kurier, Neues Deutschland, Junge Welt. Ein Quartier zwischen verschiedenen Polen ist das. Solch ein Quartier wird gemeinhin als sozial durchmischt bezeichnet. Eine kleinstädtische Kulisse fast. 

Am Friedrichshain Prenzlauer Berg
Ein stilles Mikro-Quartier: Am Friedrichshain.

Ein stiller Spielplatz

Der Spielplatz nimmt viel Fläche ein – überfüllt ist er nicht. Ist er nie, sagen die beiden Mütter, deren Kinder auf der Schaukelente spielen. Wo, mitten in Prenzlauer Berg und im Bötzowviertel gibt es das noch: einen Spielplatz, der nicht überfüllt ist?

Von den Balkonen im Altneubau gegenüber schaut eine alte Frau unter einem Sonnenschirm hervor auf den Spielplatz. Unter ihr dringt Musik aus einem geöffneten Fenster. 

Alexander Osang, der Berliner Journalist, hat vor wenigen Jahren ein Buch geschrieben über diesen Mikro-Kiez, genauer, über diesen Kiez und das Quartier nebenan, eine um die 2000er Jahreswende erbaute Siedlung mit weißen Townhouses. Hier, rund um den Spielplatz, lebt ein arbeitsloser Intellektueller, der gemeinsam mit anderen arbeitslosen Intellektuellen eine Jubiläumsveranstaltung anlässlich des Mauerfalls organisieren soll. Als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Drüben, in den Townhouses, lebt eine viel beschäftigte und gelangweilte Intellektuelle. Zwischen beiden entspannt sich eine Liebesgeschichte. Der Roman erhielt von der Kritik vordergründig den Stempel: Viel Klischee. Vergangenheit.

 

Am Friedrichshain, Prenzlauer Berg
Zweckbau aus den 30ern. Heute beherbergt das Gebäude Am Friedrichshain Verlage und kleine Firmen.

Ein drittes Kind ist inzwischen auf den Spielplatz gekommen und turnt über das Seil. Es ist still, das U der Wohnbauten schluckt die Geräusche vom Platz. 

Dieses Quartier durchqueren auch Nicht-Bewohner: Auf dem Weg zum Volkspark Friedrichshain, auf dem Weg zum Kino. Und Menschen, die im Verlagsgebäude  arbeiten, das einen der U-Schenkel Richtung Hauptstraße Am Friedrichshain verlängert. Das ist ein eigenartiges Gebäude: Wuchtig, als wäre es eine Kaserne der Nazi-Zeit. Der hellgelbe Farbanstrich übertüncht nur wenig. Am Eingang ein Sammelsurium aus Firmenschildern, die hier ihre Büros und Arbeitsräume haben.

 

Hier sitzt der kleine, feine Vergangenheits-Verlag. Mit Geschichten aus der Geschichte trägt er zur Verlagslandschaft bei. Auch Kinderbücher sind im Programm. Hier sitzt mit den Huss-Medien auch ein großer Branchenverlag, der Zeitschriften für Gastronomie, Transport u.a. Wirtschaftszweige herausgibt. Hier firmieren Anwälte, Photovoltaik-Unternehmen, ein Wachdienst. Die Kantine im Souterrain ist öffentlich und bietet solide Kost zu bezahlbaren Preisen.

 

Wohnen für Senioren und Touristen

Vis a vis dem Verlagsgebäude liegen ein Hotel und eine Seniorenresidenz, direkt nebeneinander. Schönes, stilles Wohnen, mitten in Prenzlauer Berg. Auch die Senioren-Wohnungen haben wie die übrigen Wohnbauten Balkone, nur sind kaum Grünpflanzen darauf zu sehen. Nur vereinzelt Stühle. Von den Balkonen haben die BewohnerInnen der Seniorenresidenz einen guten Blick aufs Grün des Spielplatzes, und, über die Bäume hinweg, auf einen versteckten Kindergarten hinter einem der Wohnblocks. Auch das Filmtheater am Friedrichshain ist seitlich zu sehen und der schöne Biergarten davor.

Das Hotel neben der Seniorenresidenz ist einladend und wirkt nicht überteuert. Ein Zweckbau, in dem auch Tagungen veranstaltet werden. Es steht direkt an dem Knick, den die große Straße Am Friedrichshain in ihren kleinen Abzweig macht. Drüben, auf der anderen Straßenseite, liegt der Volkspark.

-al-, Juli 2016