Im Jahr 1960 hob die DEFA in deutsch-polnischer Koproduktion den viel beachteten Science-Fiction-(seinerzeit sagte man utopischer) Film „Der schweigende Stern“ als neues Genre aus der Taufe. Regie führte Kurt Maetzig, einer der Mitbegründer der DEFA.
Der Film bzw. die Filmidee basierte auf dem Erstlingswerk des polnischen Autors Stanislaw Lem „Die Astronauten“ bzw. „Planet des Todes“. Lem, einer der „Großväter“ heutiger Autoren dieses
Genres, war ein kühner Schreiber, der später den faszinierenden utopischen Roman „Der Unbesiegbare“ veröffentlichte. Lem verknüpfte in diesem Roman menschliches Streben und Handeln in unbekannter
Welt mit – trotzdem – bestehender Achtung und Akzeptanz von Unbekanntem, ja Unbegreiflichem. Lem und andere Schriftsteller davor und danach in Ost und West haben den scheinbar bereits ewig
existierenden Weltraum und die Frage nach anderen Lebensformen, als der uns Menschen bekannten, zu einem Dauerthema gemacht, das uns im heutigen Fernsehalltag als filmische Raumpatrouille
begegnet, im Grunde aber philosophische und moralische Fragen der Menschheit insgesamt berührt. Nicht umsonst begeistern und interessieren sich Menschen an Flügen in das All und an der
internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Weltraumforschung.
Eine der seltenen Möglichkeiten, um den Geheimnissen und den herrschenden Gesetzen des Weltraums und der sich daraus ergebenden Erkenntnisse auf die Spur zu kommen, ist der Besuch eines
Planetariums, wie es zum Beispiel in der Prenzlauer Allee Nr. 80 zu finden ist. Dieses Großplanetarium wurde im Oktober 1987 nach Plänen des Architekten und Baudirektors Erhardt Gißke – der
einige bedeutende Bauten in Berlin, wie das Internationale Handelszentrum und das Grand Hotel zu verantworten hatte – in einer bemerkenswert kurzen Bauzeit von nur zwei Jahren eröffnet. Von
Beginn an hat es sich das Planetarium zur Aufgabe gemacht Wissenschaft, Erkenntnis und Unterhaltung zu verbinden und dem Zuschauer dies als ein Erlebnis zu vermitteln. Herzstück des Hauses ist
ein großer Projektor, der von Carl Zeiss Jena gefertigt wurde und der in den Keller absenkbar ist. Die übrige Technik gestattet dem Besucher in vielfältiger Weise die optische und akustische
Erschließung des Weltraums und seiner Geheimnisse. Darüber hinaus wird das Planetarium in vielfältiger Weise genutzt, so für Veranstaltungen der Reihe von Radio 1 „Hörspielkino unterm
Sternenhimmel“.
Etwa zehn Kilometer Luftlinie von diesem Ort entfernt – in Treptow – wirkte bis 1931 einer der bekanntesten deutschen Astronomen, dessen Namen die dortige Sternwarte seit 1946 bis heute trägt –
Archenhold. Friedrich Simon Archenhold wurde am 2.10.1861 in Ostwestfalen geboren. Während er 1882-87 ein Studium in Berlin (und Straßburg) absolvierte, wurde er 1889 erster Astronom der
Berliner Urania und 1890 Mitarbeiter der Berliner Sternwarte (nicht zu verwechseln mit der Treptow-Sternwarte), dessen Direktor seinerzeit Professor Wilhelm Foerster war. Die
Treptow-Sternwarte war 1896 anlässlich der Berliner Gewerbeausstellung als vorübergehende Installation mit Riesenfernrohr entstanden. Später wurde das Rohr baulich „ummantelt“ und es entstand
eine Volkssternwarte, deren Direktor F. S. Archenhold bis 1931 blieb, wobei auch seine Frau Alice ihm in dieser Tätigkeit eine große Unterstützung war. Der Astronom betrieb Forschungen zur Natur
der Sonnenflecken und unternahm 1907 eine längere USA-Reise, auf der er Treffen mit bedeutenden Erfindern und Wissenschaftlern hatte, u.a. mit Thomas Alva Edison. Im Rückblick war von besonderer
Bedeutung, dass am 2.6.1915 Albert Einstein in der Treptow-Sternwarte seinen ersten öffentlichen Vortrag über die allgemeine Relativitätstheorie hielt.
Ab 1931 übernahm Archenholds Sohn Günter die Leitung dieser Sternwarte, wurde aber 1936 von den Nazis aufgrund der jüdischen Abstammung der Familie Archenhold zum Rücktritt gezwungen.
Während Friedrich Simon Archenhold selbst das letzte Grauen erspart blieb – er starb am 14. 10.1939 in Berlin – wurden kurze Zeit später seine Frau Alice und die Tochter Hilde in das KZ
Theresienstadt deportiert, wo sie umkamen. In Berlin wurde im Januar 2010 die Ostendstraße in Niederschöneweide nach Alice Archenhold umbenannt.
Heutzutage bilden das Zeiss-Großplanetarium in der Prenzlauer Allee und die Archenhold-Sternwarte gemeinsam die Abteilung Astronomie des Deutschen Technikmuseums Berlin. Die Leistung mit dem
größten internationalen Nachhall der Berliner Astronomie ist jedoch beinahe 180 Jahre her und dürfte wohl die Entdeckung des Planeten Neptun am 23.9.1846 durch Johann Gottfried Galle und
Heinrich Louis d’ Arrest bleiben, wobei diese „Entdeckergeschichte“ einen Krimi für sich bildet, den man gesondert erzählen muss.
Und was die Astronomie und den Kosmos generell betrifft: Das Weltall und seine Herausforderungen haben Staaten und Menschen zur internationalen Zusammenarbeit veranlasst, sie bewogen,
friedlich und gemeinsam zu wirken. Das ist und bleibt ein Wert an sich. Hinzu kommt, dass die Taten eines Juri Gagarin 1961 oder Neil Armstrong 1969 auch deshalb so große Begeisterung weltweit
auslösten, weil der Mensch dadurch erkannte, dass er über sich selbst hinaus wachsen und seinen Planeten verlassen kann.
Und konkret für Berlin: Bleibt uns Bewohnern zwar manchmal die Erfüllung einfacher, irdischer Wünsche in dieser Stadt versagt, so bieten sich andererseits – z. B. im Großplanetarium in der
Prenzlauer Allee Nr. 80 – sehr gute Möglichkeiten, fernen, kosmischen Welten mit Auge und Ohr, Herz und Verstand näher zu kommen und dabei Neues zu lernen.
✒ Jürgen Pahl © (Feb 2013)