GRÜNE VISION
Die Idee ist so schön wie visionär: Prenzlauer Berg, ja der ganze Bezirk Pankow, könnte ein Ort zum Aufessen werden. Zumindest, wenn es nach dem Willen der Bezirksverordneten geht. Die
haben auf Betreiben der Grünen ein entsprechendes Konzept auf den Weg gebracht.
Ein essbarer Bezirk – das klingt nach einem postmodernen Paradies: Apfelbäume, die vor der Haustür wachsen und deren reife Früchte nur gepflückt werden müssen. Karotten, die in Nachbarschaft von
Rosensträuchern wuchern und von jedermann und jederfrau gewildert werden können. Stachelbeersträucher, die ihre reifen saure Früchte verschenken. Das ist der Grundgedanke des essbaren Bezirks:
Öffentliche Flächen stehen voller Obstbäume, Sträucher und Gemüsebeete. Deren Ertrag kann von allen genossen werden. Kostenlos und je nach Geschmack.
Ganz so neu ist die Idee indes nicht. Urban Gardening liegt schon seit einigen Jahren in der Zeit. Auch in Prenzlauer Berg finden sich immer mehr Menschen zusammen, die gemeinsam Beete
anlegen, bewirtschaften und die Früchte auch gemeinsam ernten. Doch das essbare Grün, das den Grünen vorschwebt, ist ein öffentlich angebautes und subventioniertes. Die Stadt Andernach hat es
vorgemacht: Statt Zierpflanzen pflanzt deren Verwaltung vermehrt essbare Pflanzen wie Beerensträucher, Obstbäume, Tomaten und Bohnen. Das Städtchen in Rheinland-Pfalz nennt sich seitdem
selbstbewusst „Essbare Stadt“, verzeichnet ein gesundes Klima und hebt besonders den sozialen Aspekt des Projekts hervor. Beim Apfelpflücken und Karottenziehen begegnen sich Alt und Jung,
Menschen, die bisher wenig miteinander zu tun hatten. Nun vereint sie der gemeinsame Mundraub. Fasziniert von dieser Idee, hat Prenzlauer Bergs Nachbarbezirk Kreuzberg-Friedrichshain bereits mit
ersten Essbar-Pflanzungen begonnen.
Es gibt noch weitere Argumente für eine Verwandlung und Erweiterung des Grüns. Elisa Pfennig, die Grünen-Sprecherin für Kultur und Weiterbildung, zählt sie auf: „Für Pankow könnte solch ein
Projekt nicht nur ökologische und soziale sondern auch bildungspolitische Funktionen haben. Gerade in der Innenstadt aufwachsende Kinder könnten durch den vermehrten Anbau von Nutzpflanzen ganz
neue Dinge kennenlernen.“ Und auch ein schnödes Argument spricht für den Wechsel: Der Anbau und Unterhalt von Äpfeln, Karotten und Kohl ist kostengünstiger als der von Zierpflanzen.
Damit es so weit kommen kann, dass den Prenzlauer Bergern auf Schönhauser Allee oder Paul-Robeson-Straße künftig die Äpfel in den Mund wachsen, braucht es noch die graue Theorie. In einem
Workshop will das Bezirksamt gemeinsam mit Fachverbänden und Interessierten Erfahrungen austauschen und Fakten klären. Welche Flächen sind geeignet? Was ist mit der Schadstoffbelastung durch
Autoabgase? Und: Was kostet das Ganze tatsächlich? In einem zweiten Schritt soll aus den Ergebnissen des Workshops ein Konzept zur Umsetzung der Idee des essbaren Bezirks erstellt werden. Um
Mitstreiter und Mitstreiterinnen braucht sicher nicht geworben zu werden.
✒ -al- (Jan 2014)